Berufs-Bilder â„– 4

21. Oktober 2025

Kunsthistorikerin Dr. Kathleen Löwe –
Zwischen Kunst, Klicks und Kommunikation

Kulturelle Arbeit ist auch Beziehungsarbeit

Es war einer dieser Abende, an denen man merkt: Wir alle sitzen irgendwie im selben Boot. Zwischen beruflicher Selbstfindung, digitalem Overload und dem Wunsch, sichtbar zu sein. Aber bitte mit Haltung.

Bei der vierten Ausgabe unserer “Berufs-Bilder” drehte sich alles um die Frage, wie man als Kunsthistoriker:in, Kunstvermittler:in oder Künstler:in in der digitalen Welt den eigenen Weg findet. Und um das feine Gleichgewicht zwischen Expertise, Präsenz und Authentizität.

Unser Gast Dr. Kathleen Löwe kennt diese Balance aus eigener Erfahrung. Eigentlich wollte sie einmal Innenarchitektin werden, später Modedesignerin. Über ein Volontariat am Museum, eine Dissertation über die “Südseeblase” in der englischen Kunst, eine mutige Crowdfunding-Kampagne und eine Zeit auf hoher See ist sie dann jedoch in einem Berufsfeld gelandet, das es so vor zehn Jahren kaum gab: Als Kommunikationsberaterin, Social Media-Managerin und Insta-Kuratorin für den Kunst- und Kulturbereich.

Im Kern geht es immer um Kommunikation, um Wirkung und auch um Sichtbarkeit. Und das ist etwas, das ich aus der Kunstgeschichte kenne. Also wie Bilder sprechen, wie man Inhalte vermittelt, wie man Menschen erreicht.
(Dr. Kathleen Löwe)

Von Twitter in die Selbstständigkeit

Kathleen erzählte uns, wie alles begann, fast aus Versehen. Als sie während der Pandemie auf Twitter über NFTs diskutierte, kamen plötzlich Anfragen: Ob sie jemanden beraten könne, wie man über Kunst im Netz spricht. Und aus Gesprächen wurden Aufträge, aus Aufträgen ein Kundenstamm, dann ein Netzwerk und nebenbei eine neue, unerwartete berufliche Identität.

Sie beschreibt diese Phase mit einem Lächeln:

Manchmal darf man einfach loslegen und merkt dann erst unterwegs, welche Rolle einem eigentlich liegt und welche Kunden zu einem passen.

Wo die Kunstgeschichte den Algorithmus trifft

Zu Beginn des Abends hatten wir eine kleine Umfrage gestartet: 84% der Teilnehmenden nutzen Instagram, 53% LinkedIn – und immerhin ein Drittel beruflich aktiv.

(Quelle: Screenshot, ArtVenture Club e.V., 2025.)

Das Ergebnis war kaum überraschend, aber trotzdem aufschlussreich. Kathleen nahm das als Ausgangspunkt, um über Strategien zu sprechen, die wirklich funktionieren. Nicht das ewige Posten um des Postens willen, sondern das Erzählen von Geschichten, die einen Kern haben:

Zeigt Prozesse, nicht nur das Ergebnis: Die Schritte zu einer Ausstellung oder zu einem Text, das, was alles dafür nötig ist. Die sind super interessant für Menschen, die gar nicht im Museum arbeiten oder generell in dem Feld – und gerade auch für Studierende. Die Prozesse sind super lehrreich und authentisch.

Für sie sind Content-Säulen der Schlüssel: wenige, klare Themen, die sich konsequent durchziehen, in einer Optik mit Wiedererkennungswert. Gleichzeitig warnte sie davor, Social Media zur Einbahnstraße zu machen:

Übrigens heißt es ja auch nicht umsonst: “Social Media”. Das lebt ja auch davon, dass ihr mal woanders kommentiert, dass ihr auf Kommentare reagiert und zeigt, dass ihr wahrnehmt, was die Leute auch unter eure Beiträge so schreiben.

Authentizität, Fokus, Pausen

Im anschließenden offenen Austausch ging es um die Vereinbarkeit von künstlerischer Arbeit und digitaler Präsenz. Viele erzählten, wie schwer es ist, Website, Social Media und Ausstellungsorganisation unter einen Hut zu bringen. Kathleen nickte und riet:

Vielleicht hilft es, Dinge auch mal sein zu lassen und zu fragen: Okay, brauche ich das jetzt wirklich? Hilft mir das bei meinem Ziel, wenn ich noch diese Plattform und jene Plattform bespiele? Vielleicht hilft es, sich von Dingen auch mal zu verabschieden.

Auch beim Thema Honorare wurde es konkret: Kathleen orientiert sich an der Honorartabelle des Deutschen Verbands fĂĽr Kunstgeschichte e.V. und setzt auf transparente Paketpreise. Eine ehrliche, pragmatische Haltung, der viele in der Runde sofort zustimmten.

Insta Curator: Beruf mit Zukunft!

Am Ende blieb der Eindruck, dass Social Media in der Kunstwelt ganz und gar nicht das Gegenteil von Ernsthaftigkeit ist, sondern eine neue Form der Vermittlung. Ein Ort, an dem Kunstgeschichte lebendig werden kann. Denn: Zwischen Posts, Stories, Reels und Texten zur eigenen Bio entsteht Nähe, Verständnis, Austausch. Und Kathleen macht vor, wie das geht: Mit Kompetenz, Feingefühl, Humor und einer klaren Haltung.

Nathalie Krall

Die Veranstaltung wurde von Dr. Stefan Borchardt (Kunsthistoriker, Worpswede) und Waltraud Lenhart (Kunstvermittlerin, München) moderiert.

Johannes Vermeer (geb. 1632 in Delft, Holland, gest. 1675, ebenda), Dame mit Dienstmagd und Brief, Gemälde, ca. 1664–1667, Öl auf Leinwand, 90,2 x 78,7 cm, The Frick Collection, New York, NY, USA, gemeinfrei, Bild: frick.org / Bearbeitung: Nathalie Krall